Im Mittelstand lassen sich zurzeit zwei Verhaltensweisen beobachten: einerseits eine enorme, sorgengetriebene operative Hektik und andererseits ein mit hoher Dringlichkeit vorangetriebenes zielgerichtetes Handeln. Nach der Krise werden sich einige Unternehmen wesentlich besser und schneller erholen als andere – obwohl sie gleich groß sind und aus derselben Branche stammen. Die zurückbleibenden werden dafür die „äußeren Umstände“ verantwortlich machen. Dabei gilt: Erfolg ist kein Zufall. Denn die Grundlagen für den Wiederaufstieg werden nicht erst nach der Krise gelegt – sondern währenddessen.
Was also ist unternehmerisch zu tun? Drei Ebenen – Stabilisierung, Strategie, Führung – und der Vertrieb spielen eine besondere Rolle.
1) Stabilisierung
Es steht außer Frage: Ohne ausreichende Liquidität ist ein Unternehmen nicht zu halten. Im Mittelstand ist aber häufig eine zumindest teilauskömmliche Kapitaldecke vorhanden. Also geht es darum, mit diesen Mitteln möglichst lange auszukommen und sich idealerweise zusätzliche Liquidität – etwa über Kredite – zu beschaffen. Das erste unternehmerische Gebot der Stunde lautet: möglichst lange Liquiditätsreichweite. Im Vorteil sind die Unternehmen, die in der Vergangenheit gut gewirtschaftet haben. Vorbereitung lässt sich nicht nachholen.
Als Unternehmer sollten Sie zudem auf zweierlei achten: Erstens dürfen Ihnen nur so wenige Aufträge wie möglich wegbrechen. Und zweitens müssen Sie sicherstellen, dass die Abläufe in Ihrem Unternehmen stabil weiterlaufen. Das Erste erreichen Sie durch initiative Gespräche mit Ihren Kunden. Und das Zweite, indem Sie Ihre Lieferketten überwachen – bezahlen Sie Ihre Lieferanten pünktlich! – und mit Ihren Mitarbeitern darüber sprechen, wie Sie die betrieblichen Prozesse so gut wie möglich absichern können – trotz Kurzarbeit, trotz eines möglicherweise höheren Krankenstandes und trotz eventueller Produktionsausfälle. Teilen Sie Teams ein, die nicht miteinander arbeiten.
Abgesehen von den üblichen Kontakt- und Distanzempfehlungen: Vermeiden Sie Kontakt zwischen Mitarbeitern in der Produktion, die wenig Außenkontakt haben, und Ihren Vertrieblern, die möglicherweise immer noch die eine oder andere Dienstreise unternehmen (müssen). Tun Sie alles Mögliche und Nötige, um Infektionen in Ihrem Unternehmen zu verhindern oder zumindest das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Der Betrieb muss stabil weiterlaufen.
2) Strategie
Diejenigen Unternehmen, bei denen wir nach der Krise sehen werden, dass sie erfolgreicher sind als andere, haben jetzt, in der Krise, eines getan: Sie haben an ihrer Zukunft gearbeitet, kurzfristig und mittelfristig. Auch wenn es sich vielleicht paradox anhört: Jetzt ist die richtige Zeit dafür! Beginnen Sie heute, nicht morgen. Besser noch: heute und morgen! Was werden wir tun, wenn der „Exit“ beginnt und sich die Dinge wieder normalisieren? Welche Kunden sprechen wir zuerst an? Wie akquirieren wir möglichst schnell neue Aufträge? All das sind Fragen, die bereits jetzt beantwortet werden müssen. Vereinbaren Sie Ersatztermine für krisenbedingt verschobene Akquisitionsgespräche. Lassen Sie sich nicht abwimmeln. Wenn die Termine noch einmal verschoben werden müssen, sei’s drum.
Jetzt wird es noch anspruchsvoller. Stellen Sie sich die folgenden Fragen: Welche Möglichkeiten eröffnet uns die Krise jetzt? Weil Termine verschoben und Treffen abgesagt werden, haben wir jetzt an der einen oder anderen Stelle Zeit. Wie können wir diese dazu nutzen, Ideen weiterzudrehen, die wir schon lange weiterdrehen wollten? Welche digitalen Produkte und Leistungen können wir um unsere Kernprodukte herum entwickeln, die nach der Krise eine wesentlich höhere Akzeptanz haben werden als zuvor? Bedenken Sie: Die Vorbehalte gegenüber Videokonferenzen und Telefonkonferenzen waren immens hoch. Krisenbedingt erzwungen, ist ihre Akzeptanz mittlerweile enorm gestiegen. Das wird ein Treiber für die Arbeitsweise der Zukunft sein. Lassen Sie alle strategischen Initiativen, die vor der Krise liefen, weiterlaufen – aber konzentrierter und mit noch mehr zeitlichem Anspruch. Sie werden davon profitieren.
3) Führung
In Zeiten von Homeoffice und sozialer Distanz ist es schwer, die Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Lieb gewonnene Rituale wie ein gemeinsames Frühstück oder ein gemeinsames Mittagessen fallen weg. Manche Mitarbeiter sieht man gar wochenlang nicht mehr. Etliche werden in die Kurzarbeit geschickt. Dies ist nicht nur dem Gemeinschaftsgefühl, sondern auch der Moral abträglich. Es geht gar nicht darum, die Mitarbeiter besonders zu motivieren. Das war schon vor der Krise nicht möglich, denn extrinsische Motivation funktioniert nicht. Vielmehr geht es darum, die Mitarbeiter zusammenzuhalten und sie transparent zu informieren. Wie ist der Stand? Welche Aufträge wurden ausgeliefert? Wo ist etwas Besonderes entstanden? Haben wir einen neuen Auftrag erhalten? Es ist ja nicht so, dass derzeit sämtliche Aktivitäten ruhen. Veranstalten Sie virtuelle Meetings, jeder setzt sich mit einem Heiß- oder Kaltgetränk seiner Wahl vor den Videokonferenz-Rechner. Das kann sehr lustig sein.
Bilden Sie Teams, die sich mit Sonderaufgaben beschäftigen – mit Aufgaben, die wirklich von Bedeutung sind. Schaffen Sie eine Taskforce, die sich nicht nur mit aktuellem Krisenmanagement beschäftigt, sondern auch mit den Schritten aus der Krise heraus. Schaffen Sie Teams zur Produkt- und Leistungsentwicklung. Denken Sie daran: Wenn es erst wieder richtig losgeht, werden Sie sich die Zeit dafür nicht nehmen. Lassen Sie sich regelmäßig den Stand berichten. Sie müssen jetzt viel mehr und kürzer getaktet kommunizieren als zuvor. Erstellen Sie eine Positivliste der Mitarbeiter, die sich in dieser Zeit besonders auszeichnen, damit Sie diese nicht vergessen.
Und zum Schluss erlauben Sie mir noch einen Hinweis zum Vertrieb: Ihren Kollegen aus dem Sales kommt jetzt eine besondere Rolle zu – und zwar nicht nur als Verkäufer, sondern als Partner und Helfer in der Not. Daher ist es auch dreimal zu überlegen, wer im Vertrieb Kurzarbeit machen soll und wer nicht. Jeder Kunde muss jetzt kontaktiert werden – ja, auch jeder Endkunde – mit der Frage: Was können wir jetzt für dich tun? Wie können wir dir jetzt helfen? Die Antwort „Zahlungen aussetzen“ ist unlauter, aber die kommt auch nur von wenigen. Die meisten Ihrer Kunden werden Ihre Geschäftsbeziehung durch ein Hilfsangebot gefestigt sehen, und mancher wird bei der Gelegenheit sogar einen Auftrag erteilen.
Eines, so hoffe ich, ist klar geworden: Wie Ihr Weg aus der Krise aussieht, das entscheiden Sie jetzt. Nicht später.
Quelle: Markt und Mittelstand – Das Wachstumsmagazin