Anleger halten die Füsse still
Vermögende Anlegerinnen und Anleger haben während der Corona-Krise im Frühjahr 2020 Ruhe bewahrt und ihr Portfolio kaum verändert. Dies zeigt eine in der Schweiz durchgeführte Spezialstudie im Rahmen des LGT Private Banking Reports. Enttäuschend fanden die Anleger die Unterstützung der Banken während der Krise. Was die wirtschaftlichen Aussichten betrifft, blicken sie pessimistisch in die Zukunft.
Die Corona-Krise hat zwischen Mitte Februar und der zweiten Märzhälfte 2020 an den weltweiten Finanzmärkten zu starken Korrekturen geführt. Wie sich vermögende private Anleger in dieser Krise verhalten haben, hat die LGT im Rahmen des LGT Private Banking Reports gemeinsam mit der Abteilung für Asset Management der Johannes Kepler Universität Linz unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Teodoro D. Cocca in einer Studie untersucht. Dafür wurde in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Markt- und Sozialforschungsinstitut LINK im Januar und April dieselbe Panel-Gruppe vermögender Private-Banking-Kunden in der Schweiz befragt.
Anleger bewahren Ruhe
Vermögende Schweizer Anleger haben auf die Corona-Krise bisher passiv reagiert. Rund die Hälfte der befragten Private- Banking-Kunden hat zwischen Mitte Februar und der zweiten Aprilhälfte keine Veränderungen im eigenen Anlageportfolio vorgenommen. Von Anlegern, die ihr Portfolio verändert haben, wurden die Kursschwankungen meist für Aktienzukäufe (24%) genutzt. 21% der befragten Private-Banking-Kunden haben in dieser Phase sowohl Aktien ge- als auch verkauft, und nur 5% haben lediglich Aktien verkauft. Anleihen oder Edelmetalle wurden seltener gehandelt – nur 8% der Befragten tätigten Transaktionen in diesen beiden Anlageklassen.
Während der Corona-Krise haben insbesondere jene Private-Banking-Kunden aktiv Änderungen an ihrem Portfolio vorgenom- men, die ihre Anlageentscheidungen in der Regel eigenständig treffen. 67% von ihnen haben Transaktionen durchgeführt. Bei Anlegern, die ihre Entscheidungen gemeinsam mit einem Anlageberater treffen, waren es nur 46% und bei Befragten, die die Anlageentscheidungen komplett an die Bank bzw. den Berater delegiert haben, lediglich 36%.
«Viele Anleger könnten von der abrupten Kursreaktion derart überrascht worden sein, dass sie schlichtweg nicht frühzeitig reagieren konnten und dann bei sehr viel tieferen Kursen auf eine späte Reaktion verzichtet haben», erklärt der Studienleiter Univ.-Prof. Dr. Teodoro D. Cocca von der Johannes Kepler Universität in Linz. «Die Folgewirkungen der Corona-Krise zu erfassen und einzuschätzen war sehr schwierig. Aber auch wenn die Anleger von der Krise überrascht wurden, sind sie scheinbar nicht in Panik geraten, sondern haben sich wenn, dann mehrheitlich sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Phase der Corona- Krise für günstige Zukäufe entschieden.»
Banken enttäuschen während Corona-Krise
Vor der Corona-Krise im Januar 2020 gaben hohe 86% der befragten vermögenden Anleger an, mit der Hauptbank, die sie für die Verwaltung ihres Anlagevermögens gewählt haben, «zufrieden» bis «sehr zufrieden» zu sein. Während der Corona-Krise brach dieses Vertrauen ein: Rund die Hälfte der Befragten ist in der zweiten Aprilhälfte im Vergleich zum Jahresanfang mit ihrer Hauptbank weniger zufrieden. Lediglich bei etwas weniger als einem Viertel der Anleger konnten die Banken in dieser Zeit punkten; sehr ähnlich verhält es sich mit dem Vertrauen zum Kundenberater.
Dabei haben die Banken vor allem Vertrauen bei jenen Kunden verloren, die ihre Anlageentscheidung sowieso selbstständig treffen und keine besonders enge Beziehung zur Bank oder dem Berater pflegen. 60% dieser sogenannten Soloisten sind nach der Krise weniger zufrieden mit ihrer Bank als zuvor. Die Befragten, die ihre Anlageentscheidung an die Bank bzw. den Berater delegiert haben, stellen ein positiveres Zeugnis aus. «Somit scheinen sich beide Kundentypen darin bestätigt zu sehen, wie sie bereits vor der Corona-Krise Anlageentscheidungen getroffen haben», erklärt Univ.-Prof. Dr. Cocca. «In Summe scheint es Ban- ken und Beratern bisher in der Krise nicht gelungen zu sein, eine Mehrheit der eigenen Kunden von ihrer Beratungsdienstleis- tung zu überzeugen.»
Corona-Krise bereinigt Überbewertung von Aktien nur teilweise
Für Anleger hat die Corona-Krise wenigstens eine gewisse Bereinigung am Aktienmarkt herbeigeführt. Im Januar 2020 schätz- ten 54% Aktien als zu hoch bewertet ein. In der zweiten Aprilhälfte 2020 sind es immer noch beachtliche 26% aller Befragten, die Aktien – selbst nach den Corona-bedingten Kurseinbrüchen – weiterhin als zu hoch bewertet erachten. Grundsätzlich schätzen die Befragten den ökonomischen Ausblick eher pessimistisch. Rund 70% der Befragten erwarten, dass die Corona-Krise eine massive und weltweite Rezession zur Folgen haben wird und die Turbulenzen an den Märkten noch lange weitergehen werden. Immerhin 58% vertreten die Meinung, dass es rund um Corona auch viel Panikmache und Hysterie gibt.
Methodik
Diese Studie zum Anlegerverhalten vermögender Schweizer Private-Banking-Kunden während der Corona-Krise wurde im Rah- men des LGT Private Banking Reports angelegt. Die Abteilung für Asset Management der Johannes Kepler Universität Linz führ- te unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Teodoro D. Cocca im Januar/Februar 2020 die seit 2010 sechste Befragung zum Anlagever- halten von Private-Banking-Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch. Insgesamt wurden 358 Personen befragt (in Deutschland 106, in Österreich 100 und in der Schweiz 152 Personen). Zentrales Kriterium für die Teilnahme an der Befra- gung war das frei verfügbare Anlagevermögen: in Deutschland und Österreich mehr als EUR 500 000 und in der Schweiz mehr als CHF 900 000. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Finanzmärkte wurde im April 2020 eine An- schlussbefragung mit den bereits im Januar durch das LINK Institut befragten Private-Banking-Kunden in der Schweiz durchge- führt (127 Personen).
Der gesamte LGT Private Banking Report, der das Anlageverhalten von Private-Banking-Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz umfassend beleuchtet und weitere Ergebnisse zur Corona-Krise enthält, wird Anfang Juni veröffentlicht.
Quelle: lie:zeit