Die Coronakrise wird die Gilde der Privatbanken aus den Angeln heben. Wer zu den Verlierern gehört, entscheidet sich jetzt. Innovativen Häusern bietet sich eine Jahrhundertchance. Acht Thesen.
Privatbanken, also Geldhäuser, die sich an die reiche Klientel von Einzelpersonen und Familien richten, fristen schon seit Jahren ein schwieriges Dasein.
Eingeklemmt zwischen den grossen Universalbanken und einer wachsenden Konkurrenz an neuartigen, digitalen Fintechs, fällt es ihnen enorm schwer, neue Kunden zu gewinnen und mit den Anforderungen der Zukunft sowohl kostenmässig als auch angebotsseitig Schritt zu halten.
Viele Verlierer
Die in unseren Breitengraden nun ausgebrochene Coronakrise wird den unausweichlichen Wandel in der Privatbankenszene nur noch beschleunigen und eine grosse Zahl an Verlierern hervorbringen. Denn angesichts der weiter schrumpfenden Margen und der gleichzeitig ungebremst wachsenden Kosten wird es für zahlreiche Privatbanken kaum ein Morgen geben.
Wer allerdings bereit ist, mit längst überholten Mustern aufzuräumen und nun innovativ die Gunst der Stunde nutzt, wird zu den Virus-Gewinnern zählen. finews.ch hat eine Liste zusammengestellt, welche Erkenntnisse die Privatbanken aus dieser Krise ziehen sollten.
1. Home Office wird bleiben
Wir stehen zwar erst am Anfang dieser neuen Erfahrung in der Arbeitswelt. Doch soviel ist schon jetzt klar: «Work from Home» wird bleiben, weil es effizient, kostensparend und erst noch flexibel gestaltbar ist. Die nötige Disziplin, um von zu Hause aus zu arbeiten, lernen die Angestellten nun zwangsläufig. Wer diese Disziplin beherrscht, wird morgen im Banking gefragt sein. Umgekehrt werden die Privatbanken diesen Typ von Arbeit in ihre Geschäftsmodelle integrieren müssen, denn nur so gelangen sie an die besten Leute.
2. Total digital
Die Coronakrise hat es bereits bewiesen: Der digitale Kontakt mit den Kunden ist Realität geworden – zwangsläufig. Unzählige Kundinnen und Kunden haben ihre digitalen Tools im Kontakt mit der Bank aufgeschaltet oder aufgewertet, weil sie nicht mehr mit ihrem Berater persönlich kommunizieren können. Doch selbst wenn wieder besser Zeiten anrücken, wird die digitale Interaktion bleiben – weil sie praktisch, effizient und günstig ist. Privatbanken, die nicht darauf ausgerichtet sind, werden verschwinden.
3. Daten sind der Schlüssel
Unsystematisch haben viele Privatbanken in der Vergangenheit die Daten ihrer Klientel gesammelt. Das war zum Teil dem Bankgeheimnis geschuldet, das keine allzu grosse Transparenz wünschte. Doch diese Zeiten sind definitiv vorbei. Wer heute seine Kundinnen und Kunden gezielt und dank Künstlicher Intelligenz immer raffinierter ansprechen will, braucht Datenspezialisten, die dieses Gold des 21. Jahrhunderts schürfen können. Geldinstitute, die das noch nicht erkannt haben, landen spätestens nach dieser Krise auf dem Abstellgleis.
4. Krise setzt neue Prioritäten
Was wir jetzt im Zeichen von Notrecht durchmachen, sind prägende Erfahrungen, die neue Wertvorstellungen freisetzen werden. Insbesondere bei jüngeren Menschen – der Klientel von morgen. Nachhaltigkeit, Masshalten, neue Bescheidenheit, Demut und Geldgeschäfte, die einen gesellschaftlichen Nutzen haben, sind mit dem Anbruch dieser Krise nicht mehr bloss austauschbare Marketing-Floskeln, sondern echte Bedürfnisse einer Kundschaft, die bislang nur im Überfluss, in der Verschwendung und in einer enorm hohen Unachtsamkeit gelebt hat. Privatbanken, die diese Anliegen in ihren Geschäftsmodellen nicht integrieren, haben bei Kundinnen und Kunden der Zukunft überhaupt keine Chance.
5. Investments anders gedacht
Wenn sich neue Wertvorstellungen durchsetzen (vgl. Punkt 4), dann ist auch ein neuer Blick auf das Investment-Universum von Nöten. Die Kunden von morgen – vor allem nach dem jüngsten Jahrhundert-Crash – wollen mehr Sinn in ihren Investments sehen. Bloss in irgendwelche angeblich renditestarken Aktien oder komplexe Finanzprodukte zu investieren, wird nach dieser Krise definitiv kein Argument mehr sein. Gefragt sind thematische Anlagen, die nachweislich Sinn machen und mit gutem Gewissen verantwortbar sind. Das erfordert neue, vielseitig ausgebildete Investment-Spezialisten. Ohne solche Experten hat eine Privatbank kaum die erforderliche Reputation, um als zukunftsträchtiges Unternehmen dazustehen.
6. Krisen kommen sehen
Die globale Entwicklung in den vergangenen Monaten hat uns wieder einmal gezeigt, wie wenig wir eigentlich wissen. Wer hätte mit der Wucht der Coronakrise gerechnet? Wer hätte den grössten Börsencrash seit 1987 erwartet? Und wer hätte sich ausdenken können, dass wir für Wochen, wenn nicht Monate zu Hause sitzen werden? Dabei waren viele Fakten schon lange auf dem Tisch. Man hätte sie bloss erkennen und kombinieren müssen. Klar, dass dies nicht jedermann kann. Dafür braucht es vielseitig veranlagte Experten – oder noch besser – Expertenteams. Auch im Research der Finanzinstitute, sofern sie eine neue Investment-Welt (vgl. Punkt 5) der Klientel erschliessen wollen. Privatbanken, die keine «holistischen» Researcher haben, werden die Zeichen der neuen Zeit kaum erkennen.
7. Bildung bildet
Leben und Arbeit in der Post-Corona-Zeit werden zweifelsohne anders funktionieren. Um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, wird man nicht umhinkommen, sich weiterzubilden – interdisziplinär und lebenslang. Privatbanken, die diese Voraussetzung in naher Zukunft nicht proaktiv bieten, werden keine guten Karten haben, um Talente anzuziehen.
8. Next-Generation-CEO
Eine neue Ära setzt auch neue Führungsleute voraus; Next-Generation-CEOs sozusagen. Das können keine Collardis oder Khans sein, die bloss eine Reinkarnation des Ewiggestrigen darstellen, indem sie vor allem mit Krediten riskante Erträge bolzen. In den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten der Privatbanken braucht es spätestens jetzt Persönlichkeiten, die die neuen Prioritäten verstehen und so auch die neue Epoche verkörpern – digital, innovativ, nachhaltig und glaubwürdig. Alles andere ist Beigemüse.
Quelle: finews.ch